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Das gutmütige Arbeitstier aus Ludwigsfelde

Bild1: Das gutmütige Arbeitstier aus Ludwigsfelde Bild2: Das gutmütige Arbeitstier aus Ludwigsfelde

30.09.2025

Als Reminiszenz an W50 und L60, wurde im August 2025 das 7. IFA Nutzfahrzeugtreffen gemeinsam mit der Stadt Ludwigsfelde und dem Stadt- und Technikmuseum ausgerufen. Und sie kamen aus der gesamten Republik nach Ludwigsfelde.

„Er fährt, und fährt und fährt“- was eigentlich eine Werbebotschaft für den legendären VW Käfer war, gilt auch für eine Legende aus der ehemaligen DDR. Aus Ludwigsfelde kam der IFA W50 und später der IFA L60.

Viel Glanz auf der Festwiese

Als Reminiszenz an W50 und L60, wurde im August 2025 das 7. IFA Nutzfahrzeugtreffen gemeinsam mit der Stadt Ludwigsfelde und dem Stadt- und Technikmuseum ausgerufen. Und sie kamen aus der gesamten Republik nach Ludwigsfelde. Lkw, die heute wahre Schmuckstücke sind, neu lackiert mit Chromleisten verziert, aber auch die, die zeigten, welche zahlreichen Aufbauten die Fahrzeuge tragen können. Das reichte von Wohnmobilen bis hin zu komplizierten Kranaufbauten.

Fuhrunternehmer Franz Poller, der in seiner Heimatstadt Plauen ein kleines Museum eingerichtet hat sagt: „Die Vielfalt der Aufbauten war beeindruckend. Wir mussten uns immer etwas einfallen lassen, wenn was defekt war. Aber er war leicht zu reparieren und man kam überall bequem heran. Ein gutmütiges Arbeitstier!“

Härtetest in Horstwalde

Die Liebhaber trafen sich auf der Festwiese zum Staunen und Fachwimpeln. Bevor sie dann aber in der Ludwigsfelder Sonne glänzen konnten, bewiesen einige von ihnen auf dem IFA-Testgelände in Horstwalde, dass sie heute nicht nur schick aussehen können. Auch dieses knapp 1200 Hektar große Areal ist ein Stück deutscher Automobilgeschichte. Mitglieder des Fördervereins der Verkehrsversuchsanlage Horstwalde e. V. hatten für dieses Nutzfahrzeugtreffen auf das Gelände eingeladen.

Und mehr noch – sie hatten ein ganz seltenes Exemplar im Einsatz. Ein Bus gebaut auf einer L60 Plattform. „Es war ein Gemeinschaftsprojekt IFA Werk Ludwigsfelde und der Firma Neoplan im damaligen Westberlin. Heutige Stadtbusse lassen sich nicht zu Allrad-Bussen umzubauen. Schon deswegen war ein Neoplan/Arewa-Bus auf einem W50-IFA-Gestell etwas Besonderes“, erzählte Fahrer André Schwartz, der dann den 230 PS starken Sechs-Zylinder Diesel startete. Auf der Fahrt durch das Gelände zeigten dann André Schwartz und sein Bus - nur elf Exemplare waren zugelassen und allein dieser ist noch übrig - was in ihnen steckt. Souverän meisterte das Fahrzeug auch schwierigste Passagen wie den Geröllhang, die Lockersandstrecke (bis zu 80 Zentimeter tief), die schwierigen Waldwege mit den hoch stehenden Wurzeln. Vor Steigungen musste Schwartz schon den entsprechenden Gang eingelegt haben. Sowohl bei Steigungen und Abfahrten muss das Zusammenspiel der Getriebeübersetzung gut klappen und auch die Bremsen einschließlich der Motorbremse, die besonders wichtig ist, müssen zuverlässig arbeiten. Im Gelände wird natürlich nicht die Geschwindigkeit, sondern das sichere Durchkommen getestet. Diese Strecke, auf der früher auch Fahrzeuge der Marke Robur, W50 und L60 sozusagen auf Herz und Nieren getestet wurden, ist sehr gut geeignet, um Feuerwehrfahrzeuge und ihre Fahrer zu prüfen. „Die Feuerwehr hat heute großartige Technik, doch auch der Umgang mit ihr muss getestet und ausprobiert werden“, sagte Michael, der an diesem Tag Beifahrer und Moderator war.

Er erklärte auch, dass der Kraftstoffverbrauch des Sechszylinders bei knapp 10 Litern pro 100 Kilometer liegt – das allerdings pro Zylinder! Es sind also unter Volllast 50 bis 60 Liter im Gelände! Nach etwa 30 Minuten war die Tour zu Ende, alle Insassen ordentlich durchgeschüttelt und Fahrer André Schwartz erneut stolz auf seinen Oldtimer.
Das gesamte Gelände befindet sich im Ressortvermögen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi)

Fahrzeug-Legende

Die Lkw aus Ludwigsfelder Produktion gelten auch heute noch als sogenannte Vielzweck-Lastkraftwagen und gelegentlich sieht man ihn weiterhin im Einsatz. Wer tatsächlich einen sucht, ob als Liebhaber oder als sogenanntes Arbeitsstier, der findet auf gängigen Internetplattformen ein großes Angebot und muss für gute Modelle aber schon ordentlich in die Tasche greifen.

Gebaut wurde der W50 in den Jahren von 1965 bis 1990. Insgesamt wurden 571 789 Fahrzeuge dieses Typs gefertigt. Es war der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht, der 1962 per Ministerratsbeschluss festlegte, dass ein Vielzweck-LKW in Produktion gehen solle. Ausgang war unter anderem der 7. Deutsche Bauernkongress im März 1962 in Magdeburg, auf dem lautstark die mangelnden Zustände im Transport vor allem in der Landwirtschaft auf den Tisch kamen.

Schon ein Prototyp war so ausgelegt, dass er bis zu fünf Tonen bewegen konnte. Ursprünglich sollte der W50 in Werdau (VEB Kraftfahrzeugwerk „Ernst Grube“) gebaut werden, doch schließlich entstand ein Werk in Ludwigsfelde. Im Juli 1965 lief der erste W50 vom Band. Im neuen Werk sollten 20 000 Fahrzeuge produziert werden. Die ersten Lkw, hatten ausschließlich Heckantrieb, ehe 1968 dann allradgetriebene Fahrzeuge gebaut wurden. Die Motoren kamen aus Schönebeck und erst viel später löste ein Sechszylinder-Motor den Vierzylinder-Reihenmotor (Vierzylinder-Viertaktdieselmotor) mit einer Leistung von 110 bis 125 PS ab.

Nächste Generation

Die nächste Generation war der L 60. Von ihm wurden insgesamt 20 289 Fahrzeuge von 1987 bis 1990 gebaut. Er war deutlich moderner. Angetrieben wurden die L60 mit einem Sechszylinder-Motor, der maximal 180 PS leistete. Später kamen sogar Motoren hinzu, die mit einem Turbo aufgeladen wurden und bis 272 PS freisetzen konnten.

Export

Die IFA Automobilwerke Ludwigsfelde exportierten ihre Lkw in zahlreiche Länder der Erde. Neben China und der Sowjetunion waren Ungarn, Tschechoslowakei, Polen, Irak, Iran, Vietnam und Angola Hauptabnehmer. IFA-Modelle gingen zudem nach Mosambik, Äthiopien, Sambia, Jemen, Nikaragua, Madagaskar und Kuba

„Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde e.V.“

Um dieses bedeutende Stück Automobilgeschichte weiter zu pflegen, hat sich der „Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde e.V.“ gegründet: Ludwigsfelde, eine Stadt mit einer wechselvollen und vielfältigen Industriegeschichte bis in die Gegenwart. Grund genug für technik- und geschichtsbegeisterte Menschen unserer Stadt und landesweit, diese Geschichte zu erforschen, zu bewahren und darzustellen. Im Jahr 2005 wurde so der Verein „Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde e.V.“ ins Leben gerufen.

W - Werdau
50 - Die 50 steht für 50 Dezitonnen Nutzlast welche gleich 5 Tonnen entsprechen
L - Ludwigsfelde
60 - 60 Dezitonnen“
IFA – Industrieverbands Fahrzeugbau. Dieser Verband war ein Zusammenschluss der Unternehmen, die in der DDR für die Produktion und den Vertrieb von Fahrzeugen wie PKWs, LKWs, Motorrädern, Fahrrädern und Bussen verantwortlich waren.

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